Bauer erklärt:

Für uns gelesen in Fischer & Teichwirt 02/2014
 

Dr. Werner Bauer, Landesfischereiverband Südwürttemberg – Hohenzollern.

Angeln und Tierschutz: Der Grund muss eben „vernünftig“ sein!

 

1. Der gesellschaftliche Wille

Der § 1 des Tierschutzgesetzes (2013) normiert, dass „niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen darf“. Das ist die relevante, für uns bindende Norm,

der gesellschaftliche Wille.

 

2. Ansätze zur Klärung mit wissenschaftlichen Methoden

Seit >100 Jahren versuchen manche Wissenschaftler nachzuweisen, dass Fische keine oder nur kaum Schmerzen spüren. Andere, ebenso honorige Größen „belegen“ mit gleichem wissenschaftlichem Anspruch genau das Gegenteil, nämlich dass Fische sehr wohl Schmerzen empfinden können und das somit Angeln potentiell immer mit Schmerzen verbunden ist, wenn der Haken in das Gewebe des Mauls eindringt.

 

3. Der wissenschaftliche Hintergrund 

Dabei kamen Begriffe ins Spiel wie „Nozizeption“ (Aufnahme von Reizen, Weiterleitung und Verarbeitung zum zielgerichteten Handeln ohne Schmerzempfindung) und „Bewusstsein, das die Voraussetzung für Schmerzempfindung sei. Und da Fische kein entsprechendes, dafür erforderliches Großhirn haben, schon gar kein Gehirn mit den mit menschlichen Gehirnen vergleichbaren Strukturen (Neocortex), können Fische keine Schmerzempfindungen haben. Andererseits zeigen Fische mit eingespritzten schädlichen Substanzen (Säure) Scheuern, Stoß- und Fluchtbewegungen oder anderes Vermeidungsverhalten auch ohne über dafür relevant gehaltene Strukturen zur Schmerzwahrnehmung zu verfügen.

 

4. Schmerz ist eine subjektive Größe

Aus wissenschaftstheoretischer Sicht seien Zweifel angebracht: Wir können mit höchstem wissenschaftlichem Anspruch die in Nervenzellen ablaufenden Aktionspotentiale messen, ggf. auch Menge und Wirkintensität von Hormonen und anderen chemischen Substanzen, etwa Neurotransmitter wie Acetylcholin im synaptischen Spalt.

Was wir aber nicht können ist: das Empfinden (z. B. Schmerz) als objektive Größe erfassen. Wir können bestenfalls aus Verhalten über Empfindungen schließen, vermeintlich „schlüssig“ interpretieren, aber nie wissenschaftlich exakt erfassen. Und das verwenden von Anthroporphismen, also das aninterpretieren von menschlichen Dimensionen, hat mit Wissenschaft (in diesem) Zusammenhang  nichts zu tun, ist einfach nur unzulässig.

 

5. Schäden als messbare Größe

Nach meinem Vortrag über „Schmerzempfinden bei Fischen“ bei der als Fortbildungsveranstaltung des LFV SWHz im November 2013 durchgeführten Herbsttagung brachte der Leiter der Fischereibehörde bei RP TU, Dr. Manuel Konrad, den dritten Begriff der Auflistung im § 1 TierSchG ins Spiel, nämlich den der „Schäden“ . Das Eindringen des Hakens (egal an welcher Stelle) ist beim Angeln immer mit (wenn auch minimalen) „Schäden“ verbunden, wenn man die körperliche Unversehrtheit als Rechtsgut den Überlegungen zu Grunde legt.

 

6. Heilung durch den vernünftigen Grund

Wir brauchen also keine Diskussion über die Schmerzempfindlichkeit von Fischen zu initiieren oder uns an einer solchen zu beteiligen!

Wir müssen einfach akzeptieren, dass Fische – auch wenn nur geringfügig, aber eben doch – verletzt, also geschädigt werden, wenn wir angeln. Auch hier kommt der Begriff des „vernünftigen Grundes“ ins Spiel, der das Angeln juristisch heilt: Beim Vorliegen des vernünftigen Grundes akzeptiert die Gesellschaft in Form des Gesetzgebers folgenlos, dass Fische beim Angeln (geringfügig) verletzt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der vernünftige Grund von einer einzelnen Person, einer kleinen Gruppe oder einer Vielzahl von Personen (z. B. beim Königsfischen) gleichzeitig erfüllt wird (sofern keine anderen Rechtsnormen verletzt werden, wie etwa beim Preisfischen früherer Praxis).

 

7. Zentrale Tatbestände des vernünftigen Grundes

Der „vernünftige Grund“ umgreift unbestreitbar zwei zentrale Tatbestände.

   a) Wer Fische angelt, um sie dem menschlichen Verzehr zuzuführen, handelt (wenn er auch die anderen Normen erfüllt) absolut tierschutzkonform.

   b) Befinden sich in einem Gewässer z. B. viel Zooplankton fressende Fische (z. B. verbuttete Barsch- oder Weißfischbestände), wird das Zooplankton        massiv reduziert, so dass sich das Phytoplankton massenhaft explosiv vermehren kann.

Dadurch wird nicht nur der Fischbestand geschädigt, sondern das ganze Ökosystem.

In solchen Gewässern kann keine nachhaltige Fischerei im Sinne des BNaturSchG und schon gar keine „gute fachliche Praxis“ stattfinden.

Wer also alleine oder in Gemeinschaft die Hege und Pflege des Fischbestandes betreibt, indem er durch ihre Überzahl schädigende Fische herausangelt, handelt ebenso Tierschutzgerecht,

und zwar zu 100%.

 

Thema wird mit Interesse weiterverfolgt>°(((